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Autismus-Projekt

Vom Projekt zum nachhaltigen Expertennetz

Autimsus-Projekt: Übergabe Prof. Niersbach an Prof. Queri
Zur Übergabe des Projekts von Professorin Dr. Barbara Niersbach (2. v. r) an Professorin Dr. Silvia Queri (r.) war auch Hans-Jürgen Brass an der RWU. Er ist Senior Director Global Lead bei DELL EMC und Kooperationspartner in diesem Projekt. Irena Schreyer (2. v. l.) unterstützt das Projekt als Mitarbeiterin im Didaktikteam der RWU in der Fakultät Technologie und Management.

"Menschen mit Autismus in unsere Studiums- und Arbeitswelt zu integrieren“, mit dieser Aufgabenstellung war 2018 ein vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördertes Projekt an der RWU gestartet. Was als hochschuldidaktische Idee mit den Zielsetzungen Projektorientierung und Fakultätsverknüpfung in der Lehre begann, wurde weitaus mehr: Neue Wege taten sich auf und es entstand ein an der RWU angesiedeltes Expertennetzwerk, das sich auch in Zukunft mit Bedarfen von Studierenden mit besonderen Fähigkeiten, die sich beispielsweise aus dem Asperger Syndrom ergeben, befasst.

Nach Ende der offiziellen Projektlaufzeit soll das bisher Erreichte nicht verloren gehen. „Deshalb haben wir uns entschieden, das entstandene Netzwerk aus den Firmen DELL und Auticon, dem Autismuszentrum Schwaben, der Stiftung Liebenau, der Hochschule Kempten sowie Studierenden, Professorinnen und Professoren der verschiedenen Fakultäten an der RWU, weiterhin zu nutzen“, sagt Professorin Dr. Silvia Queri. Sie verantwortet an der RWU den Studiengang Angewandte Psychologie und übernimmt fortan die Leitung von Professorin Dr. Barbara Niersbach, die in den vergangenen zwei Jahren für das Autismus-Projekt verantwortlich war.

Bei einem ersten Netzwerktreffen sind für die weitere Arbeit bereits zahlreiche Ideen entstanden, so z. B. ein Peer-Mentoring Programm für die Hochschule, um Studierende mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) im Studium zu unterstützen. Dazu sollen Mentoren aus allen Fakultäten geschult werden, die dann jeweils einen Studierenden mit ASS durch das gesamte Studium begleiten.

Peer-Mentoring Programm langfristig an der RWU etablieren

Darüber hinaus wird es Gruppenmeetings für alle geben, die grundsätzliche Probleme dieser Störung bearbeiten, wie die Verbesserung der sozialen Kognition. Betroffene Studierende lernen und üben dort also beispielsweise zu erkennen, was andere Menschen gerade denken und fühlen, um dann adäquat reagieren zu können. Häufig kommt es in diesem Bereich nämlich zu Missverständnissen und zwischenmenschlichen Problemen. Diese Meetings wird der Studiengang Angewandte Psychologie verantworten.

„Aktuell begleiten zwei Studentinnen der Angewandten Psychologie im Praxissemester dieses Projekt. Sie stehen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung und führen auch die Schulungen der Peers durch“, sagt Silvia Queri. Darüber hinaus ist sie optimistisch, aus dem Studiengang immer wieder neue Studierende für das Thema begeistern zu können, „um das Peer-Mentoring Programm langfristig an der RWU zu etablieren und damit auch Menschen mit einer ASS einen akademischen Abschluss an unserer Hochschule erreichen können.

Bereits in der Vergangenheit sind durch das Netzwerk Bachelorarbeitsprojekte entstanden. Für die Studierenden bedeuten die Kontakte mit den Netzwerkpartnern nicht nur einen Zugang zur Praxis und den betroffenen Menschen mit ASS, sondern auch einen Blick über den Tellerrand der Hochschule hinaus.

Auch die Entwicklung einer App ist angedacht

Das zentrale Anliegen des Netzwerkes ist die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit einer ASS. Es geht also nicht nur um die Ermöglichung eines Studiums, sondern auch darum, den Übergang von der Schule in eine Ausbildung zu ermöglichen oder einen Arbeitsplatz so umzustrukturieren, dass dort barrierefrei gearbeitet werden kann.

Einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben leisten digitale Tools beispielsweise in Form von Smart Inclusion Apps. Insbesondere für Menschen mit ASS spielen Apps eine nicht unerhebliche Rolle z. B. als Hilfen zur Emotionserkennung. Auch für das Peer-Mentoring Programm ist die Entwicklung einer App zusammen mit der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik angedacht.

In den vergangenen zwei Jahren war es neben der Integration ins Berufsleben mit einer noch weiter gefassten Fragestellung auch darum gegangen, die Rahmenbedingungen einzelner Unternehmen zu analysieren sowie die Bedürfnisse der spezifischen Personengruppe zu erheben.

Forschendes Lernen

Durch die Methode des forschenden Lernens bearbeiteten Studierende aus drei Fakultäten einzelne Unterfragen. In regelmäßigen Treffen wurden die Ergebnisse zusammengetragen, diskutiert und ethisch betrachtet. Dadurch fand sowohl eine ethische Haltungsbildung statt, als auch die Befähigung der Studierenden, ihre Fragestellung mit Hilfe von Projektmanagementtools in die Tat umzusetzen. "Die ethische Verknüpfung wäre ohne die Unterstützung von Professorin Dr. Cornelia Burkhardt-Eggert nicht möglich gewesen", so Barbara Niersbach. In der Fakultät Elektrotechnik und Informatik waren Professor Dr. Sebastian Mauser und Professor Jürgen Graef maßgeblich am Gelingen des Projektes beteiligt.

„Studierende der Fakultät Technologie und Management hatten die Möglichkeit, in einem Wahlmodul (Strategisches Management der Employabiliy) das Themenfeld kennenzulernen und Netzwerke zu knüpfen“, berichtet Barbara Niersbach. Sie lernten dabei sowohl Menschen kennen, die selbst im Autismus Spektrum sind, jemanden in ihren Familien haben oder beruflich in dem Feld tätig sind. Dabei konnte aus Managementperspektive eine gute Grundlage für die nachfolgenden Semester gelegt werden.

Eine Studentin der Fakultät Elektrotechnik und Informatik hat in ihrer Abschlussarbeit einen ersten Entwurf für die Gestaltung einer KI für Menschen im Autismus Spektrum erarbeitet. Diese Ergebnisse können sowohl in der KI als auch in der Informatik in den kommenden Semestern weiter verwendet werden. Die RWU wird sich also auch zukünftig diesem Arbeitsfeld widmen. „Die Strukturen für die Begleitung der Studierenden im Wintersemester sind gelegt, die Projektbegleitung ist gesichert“, sagt Silvie Queri.

Text:
Prof. Dr. Barbara Niersbach / Prof. Dr. Silvia Queri / Irena Schreyer / Christoph Oldenkotte