Im vergangenen „Early Night Social Talk“ beschäftigten sich die Rednerinnen und Redner intensiv mit dem Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der menschlichen Psyche. Eingeladen dafür waren Dr. Hans Knoblauch und Diplom-Psychologin Monika Stöhr vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP).
Im ersten Vortrag des Abends erläuterte Monika Stöhr zunächst die verschiedenen realen Dimensionen des Klimawandels. So sei die Klimakrise in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen auch als eine Gesundheitskrise zu begreifen. Denn insbesondere die psychischen Folgen, wie Traumafolgestörungen und Depressionen ausgelöst durch Klimaveränderungen, seien längst zu beobachten. Die psychischen Folgen können aber auch in einem kleineren Rahmen spürbar sein. Der Begriff der „Solastalgie“ beschreibt zum Beispiel den Umstand, wenn die Veränderung des eigenen Zuhauses zu Stress führt.
Im Anschluss an Ihren Vortrag demonstrierte Monika Stöhr gemeinsam mit der RWU-Professorin für Psychologie, Dr. Anna-Sophia Schwind, eine sogenannte „Klimasprechstunde“. Ein Angebot, welches seit einigen Jahren am Zentrum für Psychiatrie des ZfP in Wangen existiert. Dabei können Menschen unter anderem zu einem Erstgespräch kommen, um über ihre Gedanken, Gefühle und Ängste hinsichtlich des Klimawandels zu sprechen. Ziel ist es, mit einer systemischen Lösungsorientierung bestehende kognitive Dissonanzen zu bearbeiten und den Blick auf eine Zukunft mit Möglichkeiten zu richten.
„Es gibt Hoffnung, wir können etwas tun!“
„Klima-Emotionen“ müssen nicht zwangsläufig negativ sein. Die Hoffnung kann zu einem elementaren Bestandteil des Kampfes gegen den Klimawandel werden. „Doch trotzdem mehren sich in diesem Zusammenhang negative psychische Denkweisen“, so Hans Knoblauch im zweiten Vortrag des Abends. In einer Fallstudie von ihm entwickelte sich bei einem Patienten in einer depressiven Akutphase ein apokalyptischer Wahn – in welchem das Allgäu bereits flächendeckend zur Sahelzone mutiert sei.
Hans Knoblauch beschrieb zudem die verschiedenen „Klimaungerechtigkeiten“, welchen zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht würde. Extremwetterereignisse würden oftmals als „Naturkatastrophen“ beschrieben, hätten aber in der Regel einen sozialen Kontext und seien beeinflusst durch das Handeln menschlicher Akteure. Zudem kommt es zu einer sogenannten „Zentralreduktion“, wenn der Klimawandel auf lediglich einen Faktor, wie den CO2-Ausstoß, reduziert werde. „Hierdurch wird nicht nur die Diskussion um das Klima limitiert, sondern auch mögliche Handlungsoptionen in Bezug auf den Klimawandel ausgeschlossen“, sagt der ärztliche Leiter der Abteilung Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie Wangen.
2021 wurde erstmals die medizinische Diagnose „Klimawandel“ in Kanada in Zusammenhang mit der dortigen Hitzewelle, den Waldbränden und der damit verbundenen Feinstaubbelastung ärztlich festgestellt. In British Columbia waren Menschen, welche bereits unter einer Schizophrenie litten, die vulnerabelste Gruppe und zählten viele Todesopfer. Menschen mit psychischen Erkrankungen gehören somit auch zu den besonders gefährdeten Risikogruppen von Hitzewellen.
Aber auch abseits von psychischen Erkrankungen, sei bei Hitze ein Anstieg von Aggressionen festzustellen und ein Zusammenhang zwischen Psyche und Klima erkennbar, so Hans Knoblauch. Handlungsoptionen und ein Gefühl der Lähmung lägen dann oft sehr dicht beieinander. Der Vortrag mündete in Fragen: „Wie zukunftsfähig sind unsere Gesellschaft und ihre Individuen in Bezug auf den Klimawandel? Wie zukunftsfähig ist unsere Wirtschaftsweise?“ Dies und weitere Fragen wurde im Anschluss intensiv zwischen Publikum und Podium diskutiert.
Text/Fotos: Alec Weber