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Pressemitteilung

Generation X und Z gemeinsam im Gespräch

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Professor Dr. Jörg Wendorff (links) diskutiert gemeinsam mit Kenny Nißel (mitte, Student der Sozialen Arbeit) und Charlie Kiehne (rechts, Umweltaktivistin) über Generationenklischees, was die verschiedenen Generationen voneinander lernen und wie sie gemeinsam Herausforderungen meistern können. Allerdings ist man sich nicht immer einig: Die beiden Seiten stehen sich bei einigen Aspekten auch kritisch gegenüber.
Quelle:
Christoph Oldenkotte

Weingarten – Generation X vs. Generation Z: Karriere und Statussymbole vs. weniger arbeiten, mehr leben, Umweltbewusstsein – alles nur Vorurteile? Diese Frage wird im Early Night Social Talk „Zukunft gemeinsam gestalten“ am 16. Mai an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) von Vertretern der jeweiligen Generationen diskutiert. Professor Dr. Jan-Marc Hodek führt als Moderator durch den Abend. „Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, nicht nur über-, sondern miteinander zu sprechen“, erklärt der Prodekan der Fakultät für Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, die die Veranstaltungsreihe organisiert.

An diesem Abend ist es ein Gespräch zwischen den Generationen: X (geboren zwischen 1965 und 1979) und Z (geboren zwischen 1995 und 2010). Die ältere Generation wird vertreten von Professor Dr. Jörg Wendorff, Professor für Berufspädagogik und Erziehungswissenschaft und Dekan der Fakultät S an der RWU. Ihm gegenüber stehen zwei 21-Jährige als Vertreterin bzw. Vertreter der Generation Z: Charlie Kiehne, Umweltaktivistin, die aktuell im Altdorfer Wald lebt, und Kenny Nißel, der an der RWU Soziale Arbeit studiert und sich in der Fachschaft engagiert.

Wissenschaftliche Fakten vs. reale Lebenswirklichkeiten

Nachdem Jörg Wendorff mit Zahlen, Daten und Fakten zunächst aus einer wissenschaftlichen Perspektive auf die verschiedenen Generationen blickt, skizzieren die drei ihre Lebenswelten: Der junge Mann mit den blau-grünen Haaren, der in Bautzen geboren und in einer Patchworkfamilie aufgewachsen ist; der sich als Digital Native beschreibt; für den die Welt des Internets und der Sozialen Medien ein Fluchtort ist; der Soziale Arbeit studiert, um die Welt ein bisschen besser zu machen; und der sich für Individualität und Diversity einsetzt.

Daneben die junge Frau mit den kurz rasierten Haaren, die zwar behütet aufgewachsen ist, aber schnell gelernt hat, wie man in dieser Gesellschaft zu funktionieren hat; die außerdem früh gelernt hat, Normen und Ansichten zu hinterfragen; die zwar Abitur hat, sich aber bewusst gegen eine Ausbildung oder ein Studium entschieden hat; die diese Welt verändern möchte und sich für Klimagerechtigkeit einsetzt.

Als Dritter im Bunde der Professor mit großem beruflichem Engagement: zuerst Zivildienst, dann Ausbildung und Studium – getreu dem Motto: „Leben um zu arbeiten.“ Der für Karriereorientierung steht; für den Beständigkeit und Sicherheit wichtig sind; der langfristig plant und der ohne Internet groß geworden ist.

Während sich die drei vorstellen, sieht man ab und zu nickende Köpfe im Zuschauerraum – die eine oder der andere scheint sich widerzuerkennen in den Erinnerungen, die mit drei Fernsehprogrammen, Plattenspielern und Walkman, mit Songs, YouTube und Minecraft zu tun haben.

Work-Life- vs. Life-Work-Balance

Anschließend konfrontieren sich die beiden Seiten mit Thesen – pointiert, teilweise auch überspitzt. Der jungen Generation wird vorgehalten, Familie, Freunde und Freizeit seien wichtiger als die Arbeit – Life-Work-Balance anstatt umgekehrt. „Richtig“, stimmen Charlie Kiehne und Kenny Nißel zu, allerdings mit dem Einwand: „Wir wollen nicht wie unsere Eltern überarbeitet in einer Midlife-Crisis enden.“ Die gegenteilige Behauptung: Die Generation X würde sich für die Arbeit aufopfern. Körperliche und mentale Folgeerscheinungen im Alter würden nachfolgende Generationen und das System belasten. Jörg Wendorff stimmt zu, allerdings charakterisiert er seine Generation als pflichtbewusst. Und wenn in der jüngeren Generation dieses Pflichtbewusstsein weniger vorhanden sei, dann führe das zwangsläufig zu der Frage: „Wer übernimmt zukünftig Verantwortung?“

Verantwortungen übernehmen – das sei schwierig in einer Welt, die so viele Möglichkeiten biete, so Kenny Nißel. Das Überangebot sei Fluch und Segen zugleich. „Viele sehen sich der Welt nicht mehr gewachsen“, stellt der Student fest und ergänzt, dass sich deswegen viele in die digitale Welt flüchten würden. Charlie Kiehne hingegen hat schon früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen: Als Fünfjährige hat sie bereits auf ihre kleinen Geschwister aufgepasst, ihren ersten Job hatte sie mit zwölf. „Wie man sich entwickelt, kommt in unserer Gesellschaft immer noch auf den familiären und sozialen Background an“, erklärt sie.

Klimakrise vs. individueller Lebensstil

Jörg Wendorff sieht einen Widerspruch innerhalb der Gen Z: Klimakrise als existenzielle Bedrohung auf der einen, nicht nachhaltiger Konsum auf der anderen Seite. Zustimmung seitens der Gen Z: „Ich denke, nur ein kleiner Teil macht sich wirklich Gedanken über die Klimakatastrophe und ist auch bereit, selbst zu verzichten“, sagt Charlie Kiehne, und weiter: „Wir sind gut darin, Probleme zu verdrängen und flüchten uns lieber in die heile Welt auf Social Media oder in Serien.“ Kenny Nißel stimmt ebenfalls zu: „Wir sind die bedrohte Generation. Gleichzeitig verlockt uns das Überangebot zu denken: Ich möchte jetzt mein Leben leben, wie ich es will.“

Umweltfragen und Nachhaltigkeit seien unbedeutend, wird der Generation X wiederum vorgeworfen. Angst, Schuld oder Tatendrang hinsichtlich der Klimakatastrophe gäbe es nicht. Jörg Wendorff stimmt nicht pauschal zu: „Es gab in den letzten Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Krisen und Katastrophen, die die Politik überwunden hat. Beim Klima haben wir das Problem zu lange verdrängt. Wir verändern uns, aber zu langsam.“

Trotz der Differenzen sind sich die drei einig, dass sich die unterschiedlichen Generationen aneinander anpassen müssen, voneinander lernen können und man nur gemeinsam bereits bestehende und zukünftige Herausforderungen überstehen kann. Im Anschluss folgte eine rege Diskussion mit dem Publikum.  

Text: Lisann Gauß