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Pressemitteilung

Berührungsmedizin – Integration zwischenmenschlicher Berührung in die klinische Praxis

Hände

In einem kürzlich veröffentlichten Artikel schlagen Forscher eine neue Disziplin vor: die Berührungsmedizin. Ihr Ansatz zielt darauf ab, die Lücke zwischen den jüngsten Entdeckungen in der Berührungsforschung und der klinischen Medizin zu schließen und damit zwischenmenschlichen Berührung als therapeutisches Instrument in verschiedenen medizinischen Fachgebieten zu integrieren.

Zwischenmenschliche Berührung wird als grundlegendes sensorisches Erlebnis anerkannt, das für die Förderung sozialer Bindungen und des allgemeinen Wohlbefindens entscheidend ist. Trotz zunehmender Nachweise der Wirksamkeit bleibt die Integration von berührungsbasierten Therapien in die klinische Praxis bisher begrenzt.

Die Autoren, alle Experten auf dem Gebiet der Berührungsforschung, betonen die tiefgreifende Wirkung von Berührung auf die psychosoziale und körperliche Gesundheit. Viele Studien haben einen Mangel an Berührung in der Kindheit mit negativen Konsequenzen in Verbindung gebracht, während sich professionelle Berührungstechniken als wirksam bei der Prävention und Behandlung verschiedener Krankheiten erwiesen haben.

Ein Schwerpunkt der Berührungsmedizin liegt in der Behandlung von Depressionen. Kontrollierte Studien und systematische Reviews haben die antidepressiven, angstlösenden und schmerzlindernden Effekte spezifischer Massagetechniken hervorgehoben. Die Mechanismen der Wirkung, die unter anderem stressbedingte und psychologische Faktoren beeinflussen, werden derzeit untersucht.

Die Berührungsmedizin ist nicht auf ein einziges Fachgebiet beschränkt, sondern stellt vielmehr ein interdisziplinäres Unterfangen mit weitreichenden Implikationen dar. Hierunter fallen unter anderem die Schmerzmedizin, Neurologie und Psychiatrie, die von der Integration berührungsbasierter Interventionen in die Praxis profitieren. Hierfür setzt sich auch die Deutsche Gesellschaft für Berührungsmedizin e.V. ein. „Die Anwendungsgebiete der Berührungsmedizin sind vielfältig und reichen von der Versorgung Frühgeborener bis in die Palliativmedizin, also von der Wiege bis zur Bahre“, betont Michael Eggart, Gesundheitswissenschaftler an der RWU und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Berührungsmedizin e.V. „Hieraus könnten sich interessante Tätigkeitsfelder für die Pflege- und Gesundheitsberufe ergeben, auch hinsichtlich der Prävention von Erkrankungen“. Darüber hinaus können die Klinische Psychologie und die Psychosomatische Medizin diese Erkenntnisse nutzen, um die Patientenversorgung zu verbessern.

Die Etablierung der Berührungsmedizin markiert einen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen, der die Bedeutung der zwischenmenschlichen Berührung für die Förderung des ganzheitlichen Wohlbefindens anerkennt. Während sich die Forschung in diesem Bereich weiterentwickelt, ist das Potenzial, die klinische Praxis zu transformieren, enorm.

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Die Pressemitteilung basiert auf einem kürzlich veröffentlichten Artikel:

McGlone, F., Uvnäs Moberg, K., Norholt, H., Eggart, M., & Müller-Oerlinghausen, B. (2024). Touch medicine: Bridging the gap between recent insights from touch research and clinical medicine and its special significance for the treatment of affective disorders. Frontiers in Psychiatry, 15, 1390673. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1390673

Der Erstautor, Francis McGlone, ist ein führender Experte in der internationalen Berührungsforschung, insbesondere der affektiven Berührung. Der korrespondierende Autor, Bruno Müller-Oerlinghausen ist emeritierter Professor der Klinischen Psychopharmakologie an der Charité Berlin und Seniorprofessor an der MHB der sich besonders den antidepressiven Wirkungen „psychoaktiver“ Berührung widmet.

Für weitere Informationen oder Interviewanfragen wenden Sie sich bitte an:

Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen, Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Berührungsmedizin e.V., Bruno.Mueller-Oerlinghausen@mhb-fontane.de