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Studentisches Projekt

Die Ich-AG zwischen Drachen und Zwergen

Schwerter schwingen, Menschen retten, Quests erfüllen und dabei eine fantastische Welt entdecken – das Genre der Fantasy-Rollenspiele ist bei Gamerinnen und Gamern beliebt. Ein Genrestandard dabei: Zwischen Drachenkämpfen und Zaubersprüchen muss man sich im Laufe des Abenteuers oft auch um die Ausrüstung kümmern. Die Kampfaxt wird löchrig, das Kettenhemd brüchig – höchste Zeit für einen Besuch in der Schmiede. Hier arbeiten die heimlichen Heldinnen und Helden, die im Schweiße ihres Angesichts den digitalen Ruhm erst ermöglichen. Aber was macht so eine Schmiede eigentlich, wenn sie nicht gerade vom Hauptcharakter besucht wird?

„Master Forge“ heißt das Computerspiel, das drei Studenten der Hochschule Ravensburg-Weingarten entwickelt haben. Spielerinnen und Spieler führen ihre eigene Schmiede in einem mittelalterlichen Fantasy-Dorf, müssen mit Ressourcen handeln und Schmiedeaufträge fristgerecht erfüllen. Luis Metzler, Gerald Lautenschlager und Julian Lingnau hatten die Idee im Zuge einer Lehrveranstaltung über Spieleentwicklung. Alle drei studieren angewandte Informatik im Bachelor und haben sich für den Schwerpunkt Spielentwicklung entschieden.

Eine Fantasywelt durch die Augen eines Schmiedes

Rollenspiele sind meist stark auf eine Geschichte, die Entscheidungen der Spielenden und deren Konsequenzen zugeschnitten. „Für ein so storyzentriertes Spiel hatten wir neben dem Studium nicht die Zeit“, erklärt Julian. Und so hatten die drei eine Idee: „Wenn wir unserem Hauptcharakter keine richtige Story geben können, könnten wir ihn zum NPC im Spiel machen und so die Story von anderen Charakteren erlebbar machen.“ NPC ist die englische Abkürzung für einen Charakter, der nicht von den Spielenden gesteuert wird, mit denen aber interagiert werden kann – Händlerinnen, Personen mit Aufgaben oder eben ein Schmied. Mit Master Forge haben sie die gewohnte Art, wie ein Spiel funktioniert umgedreht. Kriegerinnen, Zauberer, kurz: Heldinnen und Helden wie sie eigentlich gesteuert werden, geben Schmiedeaufträge und erzählen dadurch ihre Geschichte. „Der Spieler bekommt so mit, wie sich die Stories entwickeln, erlebt sie aber nicht selbst“, fasst Luis zusammen.

Unternehmerische Selbstständigkeit wird erlebbar – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Ressourcen wie Holz und Erz sind knapp und müssen selbst abgebaut werden. Auch die Kunden machen Druck: Sie wollen ihre Bestellung zu einem bestimmten Zeitpunkt abholen und sind nur dann bereit, bares Gold zu zahlen. Mit dem verdienten Gold, können die Meisterschmiede ihren Betrieb dann verbessern und etwa in bessere Schmelzöfen investieren. Oder sie bringen das Gold zum Händler, um dort ihre Vorräte aufzustocken. Es gibt viel zu tun, eine historisch akkurate Schmiedesimulation ist dabei aber nicht entstanden, aber: „Uns war es wichtig, dass sich das Schmieden authentisch und die Rezepte nach denen Waren hergestellt werden logisch anfühlen“, sagt Gerald. Und so wird ein neues Schwert für einen schusseligen Soldaten geschmiedet oder ein Beil für eine geheimnisvolle Magd, die das Werkzeug für ihre Arbeit braucht – oder doch anderes damit vorhat?

Spieleentwicklung im Studium und Selbststudium

In ihrem Studium an der RWU lernten die drei die Grundlagen der Spieleentwicklung kennen: Wie erstellt man einen dreidimensionalen Raum, wie bewegt man sich als Spielfigur durch diesen? Sie waren aber auch bereit, selbstständig dazuzulernen. Die Bewohner des Dorfes mussten designt und ihre Bewegungen programmiert werden. „Das Dorf soll sich lebendig anfühlen“, sagt Julian. „Tagsüber wirkt es belebt und wenn es dunkel wird, gehen die Lichter in den Häusern an.“ Ein Tag-Nacht-Zyklus gibt den Spieltakt und die Zeit der Auftragserfüllungen vor.

Innerhalb des Teams bildeten sich schnell Schwerpunkte heraus. „Gerald hatte die Aufgabe, sich die Geschichten im Spiel auszudenken, Julian hat sich auf das Sounddesign spezialisiert und ich auf die Animation der Charaktere im Spiel“, erklärt Luis die Arbeitsteilung. „Es war immer genau klar, wer für was Verantwortung trägt und das hat super funktioniert.“

Master Forge ist inzwischen auf Steam erhältlich, einer der größten Vertriebsplattformen für Computerspiele. Dort können die Nutzerinnen und Nutzer das Produkt auch direkt bewerten. „Bisher haben wir viel positives Feedback von den Spielern bekommen“, sagt Julian. Dass das Spiel nicht so umfangreich sei wie andere, falle aber den meisten auf. „Dann müssen wir erklären, dass wir das nicht hauptberuflich machen, sondern eigentlich studieren.“

Text:
Michael Pfeiffer